Ein Junge füttert einen Papagei
Papageien sind gesellig und intelligent. Einige gehen zu ihren Eigentümern enge Bindungen ein. Doch genau das kritisieren Fachleute als Fehlprägung. MDR SACHSEN hat eine Züchterin besucht und war bei der Fütterung dabei. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO/Pond5 Images

Artenschutz Sächsische Züchterin: "Papageien sind nix für die Neubauwohnung"

31. Mai 2024, 14:21 Uhr

Kleine, sechs Wochen alte Papageienküken machen bei Züchterin Monika Mauersberger großen Krach. Mit weitaufgerissenen Schnäbeln betteln sie um den selbstgemachten Kükenbrei. Die erfahrene Züchterin achtet darauf, dass keiner der Piepmätze hungrig bleibt. Bevor die erwachsenen Vögel für zum Teil sehr hohe Preise verkauft werden können, investiert die Papageien-Züchterin viel Geld und Zeit in die Aufzucht, teilweise per Hand. Doch die Handaufzucht ist in Fachkreisen umstritten.

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Krächzende Rufe dringen durch den Raum. Erst vor Kurzem sind bei Papageien-Züchterin Monika Mauersberger kleine Rosakakadus geschlüpft. Die ehemalige Lehrerin zieht sie von Hand auf. Seit vielen Jahren züchtet sie mit ihrem Mann verschiedene Papageienarten, darunter Nymphensittiche, Weißhauben- und Gelbwangenkakadus, Kuba-Amazonen und Aras. Sie ist fasziniert von den schönen Tieren.

Ein Inkakakadupärchen auf einem Ast in der Voliere
Für Papageienliebhaber zählen Inkakakadus zu den schönsten Papageienarten. Bei einer Züchterin in Sachsen kostet so ein Vogel zwischen 4.500 und 5.000 Euro - reich wird sie davon trotzdem nicht, erzählt sie MDR SACHSEN. (Symbolbild) Bildrechte: picture-alliance / ZB | Patrick Pleul

In deutschen Zoogeschäften seien solche Vögel nicht erhältlich, erklärt Monika Mauersberger MDR SACHSEN. Die legale Zucht sei mit einer Reihe von Auflagen verbunden, da einige der Arten streng geschützt seien: "Unsere Tiere haben mehr Papiere als wir Menschen", sagt sie MDR SACHSEN. Die Züchterin sagt, dass sie alle Tierschutzauflagen erfülle. So gehöre es beispielsweise zur artgerechten Haltung, Flughallen zur Verfügung zu stellen sowie separate Rückzugsorte und Nistkästen.

Aus Angst vor Einbrüchen oder Diebstahl möchte Mauersberger ihren Wohnort nicht öffentlich im Internet lesen. Zu wertvoll seien die Tiere. Zur Zeit leben zwischen 40 und 50 Tiere in großräumigen Volieren mit Freiluftbereich: "Sie müssen fliegen und sich bewegen können, sonst ist es keine artgerechte Haltung", sagt die Züchterin. Einige der Vögel würden den Regen sehr lieben, erzählt sie. Die Küken dürfen allerdings in der "guten Stube" wohnen, bis sie alt genug sind, statt Brei auch Körner und Obst zu fressen.

Selbstgemachter Kükenbrei für die Papageien-Minis

"Ein Rosakakadu wird zwei bis drei Monate mit einem selbstangerührtem Kükenbrei mithilfe einer Futterspritze aufgezogen. Ein Ara braucht etwa ein Jahr, bis er futterfest ist", erzählt die Papageienzüchterin. Dann könne Obst, Gemüse und Körnerfutter gegeben werden. Doch bis es soweit ist, bekommen die kleinen Papageien den selbstgemachten Kükenbrei: "Den rühre ich unter anderem mit Getreide und Tee an - Fenchel, Kümmel, Anis - das ist gut für den Bauch", sagt Monika Mauersberger. Anfangs sei er flüssiger, später dann fester.

Doch die Züchterin hat auch sogenannte Naturbruten im Angebot, bei denen sich die Eltern um die Aufzucht kümmern. Bei einigen werde lediglich einige Wochen vor Verkauf noch Handaufzucht betrieben, um sie "für die Händler etwas händelbarer zu machen."

Kritik an der Handaufzucht

Doch die Handaufzucht von Papageienarten wird unter Tierschutzaspekten in Fachkreisen kritisch gesehen. "Handaufzucht mit dem Ziel, einen einzelnen zahmen Papagei für die Wohnungshaltung bereitzustellen, schadet dem Vogel und ist meines Erachtens nicht mit dem im Grundgesetz verankertem Tierschutz vereinbar", sagt Volker Schmidt, Fachtierarzt für Geflügel, Zier-, Zoo- und Wildvögel MDR SACHSEN. Er hat die Vertretung der Professur für Vogel- und Reptilienmedizin an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Uni Leipzig inne und leitet eine Klinik für Vögel und Reptilien kommissarisch.

Ein Mann im Porträt
Volker Schmidt, Fachtierarzt für Geflügel, Zier-, Zoo- und Wildvögel, kritisiert die Handaufzucht von Wildtieren. Bildrechte: privat

Zum Thema Handaufzucht verweist er auf ein Merkblatt der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz. Darin wird die Handaufzucht von Wildtieren kritisiert, insbesondere wenn diese nicht Arterhaltungsprogrammen dienen oder notwendig sind, um das Überleben des Kükens zu sichern. In diesen Fällen sollte der Empfehlung zufolge die Handaufzucht so gestaltet werden, dass eine Sozialisierung mit Artgenossen stattfindet und somit kein Vogel zur Kompensation von fehlenden Sozialkontakten des Menschen entsteht.

Auch der Deutsche Tierschutzbund sieht bei der Handaufzucht Tierschutzaspekte verletzt und verweist auf Anfrage von MDR SACHSEN auf ein entsprechendes Positionspapier. Romy Zeller, Expertin für Ziervögel beim Deutschen Tierschutzbund, teilt MDR SACHSEN auf Anfrage mit: "Diese Praxis ist aus Tierschutzsicht absolut abzulehnen." Sie verweist auf Studien mit handaufgezogenen Graupapageien und mit isoliert handaufgezogenen Papageien.

Lukratives Hobby?

Für Monika Mauersberger und ihren Mann ist die Zucht der seltenen Vögel in erster Linie ein Hobby. Das Geld stehe nicht im Vordergrund: "Manche sehen ihr Geld lieber liegen, manche lassen's lieber fliegen", kommentiert sie die hohen Ausgaben und die viele Zeit, die sie für die Pflege der Tiere investiert, fröhlich. Die Preisspanne reicht im Verkauf von 15 Euro für Wellensittiche über 50 Euro für zahme Nymphensittiche bis zu 5.000 Euro für Inkakakadus. Lukrativ sei das Hobby trotzdem nicht, sagt Monika Mauersberger: "Man hat hohe Ausgaben für Futter und Medizin." Die vielen Arbeitsstunden für die Handaufzucht könne sie nicht aufrechnen.

Romy Zeller, Expertin für Ziervögel beim Deutschen Tierschutzbund, weist als Reaktion auf diesen Artikel hin: "Außer Nymphensittichen eignet sich keine der gezüchteten Arten zur Haltung in Privathand." Wenn Monika Mauersberger Vögel verkauft, sei ihr wichtig, dass sie in gute Hände kommen, sagt sie. Für die Beratung nehme sie sich viel Zeit. Sie und ihr Mann schauen gern vorher an, wo die Tiere später leben sollen und beraten zu passenden Volieren. "Wir achten darauf, dass die Tiere genug Platz haben und Beschäftigung. Außerdem nehmen wir die Papageien, die wir abgegeben haben, auch in Pflege, wenn die Besitzerin oder der Besitzer mal in den Urlaub fährt", so Mauersberg. Doch die Besichtigung des künftigen Papageien-Domizils sei nicht immer möglich.

Aras beim Liebesakt im Gehege
Die beiden Aras Paul und Pauline sind etwa zehn Jahre alt und leben bei Familie Mauersbacher. Bildrechte: MDR/Monika Werner

Nicht um jeden Preis verkaufen: "Keine Neubauwohnungen"

Einige der Tiere gehen in Privathaushalte, andere an Händler. Über einen Vermittler seien auch schon Papageien nach Dubai oder in den Oman verkauft worden, aber das seien Einzelfälle. "Am liebsten würde ich sie immer in private Hände abgeben, damit ich sehe, wo die Vögel hinkommen und wie die Leute mit den Tieren umgehen", sagt die Züchterin.

Die Papageien machen einen ziemlichen Krach. Das macht die Nachbarn verrückt. Am Ende habe ich sie nach 14 Tagen wieder hier, weil sich Nachbarn beschweren.

Monika Mauersberger Papageien-Züchterin

Es gehe ihr nicht nur ums Verkaufen. Deshalb habe Mauersberger auch schon öfter "Nein" zu einem potentiellen Kunden gesagt, erzählt sie MDR SACHSEN: "Ich verkaufe nicht, wenn die Tiere in Neubauwohnungen leben sollen. Die Papageien machen einen ziemlichen Krach. Das macht die Nachbarn verrückt. Am Ende habe ich sie nach 14 Tagen wieder hier, weil sich Nachbarn beschweren."

Kakadu-Junges
Als Schönheiten können die Jungtiere der Rosakakadus nicht gerade bezeichnet werden, findet Züchterin Monika Mauersberger. Sie kümmert sich leidenschaftlich gern um die Kleinen. Bildrechte: MDR/Monika Werner

Züchterin: "Anschaffung gut überlegen"

Frisch geschlüpft sind die Jungtiere nicht gerade eine Schönheit. "Man könnte sie auch als 'hässlich' bezeichnen", sagt Mauersberger und lacht. Dabei schaut sie liebevoll auf einen kleinen Rosella. Für sie sind die Vögel eine große Leidenschaft - auch wenn das nicht immer so war: "Ich war immer Fan von Hunden, vor allem von großen Hunden. Nie hätte ich gedacht, dass ein Vogel genauso kuscheln und schmusen kann", sagt Monika Mauersberger MDR SACHSEN. Doch für Mauersberger ist trotzdem klar: Es sind Tiere mit ganz besonderen Anforderungen. Das macht sie auch deutlich, wenn Interessenten kommen. So dürfe beispielsweise ein erwachsener Rosakakadu auch nicht zuviel gefüttert werden, damit er nicht dick wird, erzählt sie beim Rundgang durch ihre Anlage.

Nie hätte ich gedacht, dass ein Vogel genauso kuscheln und schmusen kann, wie ein Hund.

Monika Mauersberger

Insgesamt hat das Interesse an Papageien in den vergangenen Jahren jedoch etwas nachgelassen, erzählt die Züchterin. Das liege auch daran, dass sich Interessenten heute besser informieren würden und die Verantwortung dann doch scheuen: "Die Tiere werden sehr alt. Die Tierarztkosten sind gestiegen und die Vögel sind auch sehr laut", erzählt sie. Außerdem brauchen sie jede Menge Platz und viel Beschäftigung. Dessen sollten sich Papageien-Fans im Vorfeld bewusst sein.

"Wildvögel sind keine Haustiere"

Auch Fachtierarzt Volker Schmidt rät ab, Papageien in Wohnungen zu halten. Man könne die Vögel nicht mit Hunden vergleichen. Diese seien domestiziert und leben in einer starken Abhängigkeit vom Menschen. "Bei Papageien handelt es sich um Wildtiere, welche entsprechend ihren Bedürfnissen gehalten und nicht an unsere Bedürfnisse angepasst werden sollten", so Schmidt.

Romy Zeller, Expertin für Ziervögel beim Deutschen Tierschutzbund, teilt diese Einschätzung. "Die Haltung sollte sich auf wissenschaftlich geführte Einrichtungen beschränken. Vögel sind keine Kuscheltiere." Für Vögel, die den Umgang mit Menschen, sowie Anfassen und Manipulation nicht gewöhnt sind, könne das unerwünschte Berühren erheblichen Stress verursachen.

Eine junge Frau im Porträt
Romy Zeller ist Expertin für Ziervögel beim Deutschen Tierschutzbund. Sie findet, Wildvögel gehören in die freie Natur und sollten höchstens in wissenschaftlichen Einrichtungen gehalten werden. Bildrechte: privat

Bei handaufgezogenen Tieren würden die Tiere Zeller zufolge auf den Menschen fehlgeprägt, um das Bedürfnis von Menschen, ein zahmes Tier zu haben, zu bedienen. Deshalb würden sie Berührungen zulassen. Es könne sogar sein, dass die Vögel dies aufgrund der Fehlprägung sogar einfordern, wenn sie den Menschen beispielsweise als "Sexualpartner" betrachten und Kopulationsversuche starten. Dies entspreche jedoch nicht ihren natürlichen Verhaltensweisen. "Der Mensch ist keine notwendige Bezugsperson für die Vögel. Essentiell sind Artgenossen und der jeweiligen Art entsprechende Haltungsbedingungen". Der Mensch sei kein Ersatz für einen Artgenossen.

(Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels wurde die Handaufzucht nicht kritisch eingeordnet. Nach der Zuschrift einer Zuschauerin hat die Redaktion zusätzliche Expertise eingeholt und den Text entsprechend ergänzt.)

MDR (kav)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Guten Morgen Sachsen | 13. Mai 2024 | 11:10 Uhr

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